Fortsetzung von der heiteren Hotelgeschichte vom 14.11./15.11.2015 in Lindau

 

...Ein junger Mann rennt auf ihre Aufforderung hin zur Wirtin hinter die Theke, wo sie ihn bittet, ein Computerproblem zu lösen. Er setzt sich in die kleine Büroecke und ein weiterer Gast drängt sich hinter die Theke und beginnt, an der Musikanlage herumzudrücken, die in an-genehmer Lautstärke alte Schlager und Hits zum Besten gibt. Eifrig erklärt er der Wirtin, dass unbedingt die Tonqualität besser eingestellt werden müsse. Sie lässt ihn gewähren, obwohl schon bald darauf keine Musik mehr ertönt – offenbar war die letzte Manipulation des Herrn eine Qualitätssteigerung zuviel… Mit hektischen roten Flecken im Gesicht bemüht er sich schnaufend, die Anlage wieder in den Griff zu bekommen. Liebevoll tätschelt er sie ein letztes Mal, als es ihm gelungen ist, die alten Ohrwürmer wieder zu beleben und wird rüde vom Wirt zur Seite gedrängt, der die Lautstärke erheblich erhöht, so dass die Wirtin einschrei-ten und den Regler wieder auf eine vernünftige Lautstärke zurück stellen muss. Ich be-obachte staunend, was innerhalb kurzer Zeit aus dem so zurückhaltend netten Herrn ge-worden ist, der mir bei meiner Ankunft mein Zimmer gezeigt hat. Gleich verwerfe ich mei-nen Gedanken, dass er in seiner Küche alkoholische Getränke horten könnte, wieder. Ich schiebe sein Verhalten auf den Riesenstress, den er nun zu haben scheint, da er nun gleich vier Pfännli auf einmal zubereiten muss.

Die Dart-Jungs schleichen mit hängenden Schultern an mir vorbei und berichten betrübt, dass alles Daumendrücken nichts geholfen hat. Doch die Hoffnung bleibt ihnen, da nach der nächsten Zigarette noch weitere Runden zu absolvieren sind, die bei erfolgreichem Spiel das Blatt wenden können.

Der Wirt eilt mit der Tiroler Pfanne auf dem Holzgestell zu mir und pflanzt diese schwungvoll auf den Tisch. Hungrig mache ich mich über das brandheisse Gericht her, ich bin froh, dass ich meine arg in Leidenschaft gezogene Zunge zwischendurch mit einem Schluck Radler wieder auf die ursprüngliche Temperatur kühlen kann und lasse mir das interessant zusam-mengestellte Gericht, welches mit einer Extraschüssel Bratensauce begleitet ist, schmecken.

Als Dessert gönne ich mir einen Zigarette und ein Telefongespräch mit meinem in der Schweiz weilenden Liebsten. Die wechselnde Schar Menschen im Raucherbereich beo-bachtet mich und der Fransenjacken-Gitarrist betritt die Raucherbühne, dicht gefolgt von seinem Kompagnon und beginnt begeistert in die Saiten zu hauen und zu singen.

Ich kehre zurück an meinen Platz und bemerke mit Belustigung, dass der Wirt jedes Mal, wenn „seine“ Mannschaft jubelt, weil sie Punkte erlangen konnten, schwungvoll die Schwingtüre aus der Küche eilend an die Wand wirft, kurz schaut, mitbrüllt und dann eiligst wieder in der Küche verschwindet, aus welcher weisse Dampfschwaden entweichen.

Der bärtige Begleiter von Gitarren-Jimmy bittet schüchtern darum, an meinem Tisch Platz nehmen zu dürfen, nachdem er mir zuvor ein Bier spendieren liess. Er erzählt mir aus seinem einsamen Leben, welches er mit seiner Katze teilt. Noch zwei Jahre und 8 Monate muss er malochen, ehe er in Pension gehen kann. Seine ganze Sorge gilt seinem Büsi und sein Stolz dem Kleinkind, dessen Grossonkel er ist. Weitere Perspektiven scheint er nicht mehr zu ha-ben.

Der Wirt beschwert sich lautstark bei seiner Frau, die zum wiederholten Mal um die Theke humpelt, nachdem sie ihre Pfeile für die Dart-Mannschaft geworfen hat, dass er kaum noch mit der Arbeit nachkommt. Eilig wirft sie planlos eine Handvoll Besteck und Servietten auf einen Nebentisch und watschelt dann vergnügt zum Tisch mit Stammgästen, unter dem sich der kleine Hund nach seinem Spaziergang verkrochen hat. Ächzend lässt sie sich schwer auf einen Stuhl fallen und plaudert mit ihren Gästen, während ihr Mann wut-schnaubend mit zwei weiteren Pfannengerichten aus der Küche schiesst und diese schwungvoll auf dem vereinsamten Nebentisch platziert. Sein lautes Kampfgebrüll, dass das Essen da sei, verhallt nicht ungehört und eilig biegen zwei junge Männer um die Ecke und laben sich an den heissen Gerichten.

Auch die einfach gekleidete Dame mit ihrem Glas Wasser sowie Gitarren-Jimmy, der heute Geburtstag feiert und Frau Wirtin erhalten nun ihre Pfannengerichte. Lautstark wird nach Günther geschrien, der mir noch immer von seiner Minggi erzählt und nur widerwillig auf-steht, um zu den anderen rüber zum Essen zu gehen. Sogleich werden sein Platz wie auch die übrigen Stühle bei mir am Tisch durch enttäuschte Dart-Spieler besetzt. Sie alle brau-chen eine Portion tröstende Worte, da sie erneut nicht wunschgemäss punkten konnten. Sie beginnen mich sachte nach Sinn und Zweck meines Aufenthalts auszufragen. Ich be-merke, dass der Alkoholpegel bei den meisten gehörig gestiegen ist. Neben mir sitzt ein sehr junger, schlaksiger Bursche mit Schmalzlocken und alkoholgetränkten braunen Spanielau-gen. Er versucht, diskret herauszufinden, ob ich noch «zu haben» bin und bezirzt mich trotz erhaltener Auskunft mit glühenden Augen und versichert mir, dass Ich in ihm den Mann meines Lebens finden würde, ungeachtet der Tatsache, dass dieser längst mein Leben mit mir teilt. Endlich dämmert es ihm in seinem alkoholdurchtränkten Schädel, dass er wohl chancenlos bleiben wird und er zottelt schliesslich, begleitet von seinen Sauf-… ääh Dart-kollegen von dannen.

Ich nutze die Gelegenheit, um der Wirtin winkend zu signalisieren, dass ich gerne zahlen möchte. Eifrig wackelt sie zu meinem Tisch und informiert mich strahlend, dass es damit kei-ne Eile habe, ich könne meine Konsumation problemlos am nächsten Morgen während dem Frühstück bezahlen. Sei es eine unbekannte hellseherische Ader in mir oder schlicht die Vernunft, die mich gerne die Bezahlung gleich erledigen lässt, damit ich früh am nächs-ten Morgen ungehindert los kann – ich bestehe freundlich darauf, meine Rechnung hier und jetzt begleichen zu wollen.

Hilflos mit den Armen rudernd eilt sie von dannen, um sich mit ihrem – aktuell mit einem ori-entalischen Turban gewandeten – weiterhin munter die Schwingtüre hin- und herschwin-genden Mann bezüglich meiner gehabten Konsumationen abzustimmen, da das Lokal keine Tischbons kennt und sie meiner eigenen Aufzählung wohl misstraut.

Ehe sie den Wirt erreicht, stoppt Minggi-Günter sie und heisst sie, zu warten, da er etwas Wichtiges abklären müsse. Ärgerlich schaut sie zu, wie er schnurstracks zu meinem Tisch kommt und mich fragt, ob er mir noch ein Getränk offerieren dürfe. Nach mehrmaligem höflichem Ablehnen von meiner Seite her merke ich, dass ich wohl eher entrinnen und end-lich zu Bett gehen kann, wenn ich mir einen Kaffee spendieren lasse. Also teile ich dem glücksstrahlenden Günther mit, dass eine Tasse Kaffee wunderbar wäre. Verwundert sehe ich, dass er an der wartenden Wirtin unbeholfen zu Fransen-Gitarren-Jimmy’s Tisch

vorbei eilt und das Geburtstagskind Jimmy fragt, ob er als edler Spender des genossenen Geburtstagessens auch einen Kaffee (für Günther…) spendieren würde. Dieser nickt und sieht nun seinerseits mit Staunen, wie Günther bei der immer noch wartenden Wirtin einen Kaffee bestellt, welchen sie zu mir an den Tisch bringen möchte, da er sich dazu entschlos-sen hat, sich wieder zu mir zu setzen und mir weiter aus seinem stellenweise todtraurigen Leben zu erzählen.

Die Wirtin bringt schliesslich den Kaffee und vernimmt mit Befremden, dass dieser mir zu ser-vieren sei, da er, Minggi-Günther mir den zu spedieren gedenke, wobei die Bezahlung sein Freund Fransen-Jimmy übernehmen würde, da dieser ihm einen Geburtstagskaffee geschenkt habe, den er jedoch lieber weiterschenken möchte.