Ein ganz normaler Montag....

Wie üblich holt mich der Wecker um 04.30 h aus dem Tiefschlaf. Nach einem prüfenden Wetterblick beim Herauslassen unseres Hundes suchen sich meine Füsse zwischen hungrig herumwuselnder Katze den Weg zur Kaffeemaschine und anschliessend Richtung Frischmache- und Anziehecke. Wie schön, die erste Tasse Kaffee zusammen mit meinem Liebsten geniessen zu können, der extra für mich zu nachtschlafender Zeit aufsteht, um wie ich staunend zu beobachten, wie der Uhrzeiger von 06.00 bis 06.15 h besonders schnell zu "fallen" scheint, so dass es viel zu rasch heisst, Abschied zu nehmen, um die Batterie meines altersschwachen kleinen Fiat anzuhängen und dem Bahnhof zuzstreben. Nach angenehmem Geplauder mit verschiedenen Menschen, die wie ich tagtäglich ihren Arbeitsweg mit dem ersten Zug Richtung Bern unter die Füsse nehmen gibt's im Bahnhof Bern eine gemütliche Zigarette, ehe der eine Viertelstunde später einfahrende Zug Richtung Luzern zum Einsteigen auffordert. Erneut heisst es in Luzern fast 20 Minuten zu warten, ehe der Anschlusszug Richtung Rotkreuz/ZG losfährt. Die Fahrt dorthin ist meist kurzweilig, weil Arbeitskolleginnen und -kollegen diese mit mir teilen. Um 07.45 h erreiche ich dann meinen Arbeitsplatz und harre der Dinge, die da kommen mögen. Viele Menschen reagieren entsetzt, wenn sie hören, dass ich viele Tage im Jahr einen Arbeitsweg von insgesamt fünf Stunden bewältige. Nun, ich denke, das ist immer eine Ansichtssache. Ich reise gerne und begegne täglich interessanten Menschen. Mal stört ein Mitpassagier mit plärrendem mp3-Player die andächtige Morgenruhe im Zug, ein anderes Mal gelingt es sogar, ein paar Minuten Schlaf nachzuholen, doch am bereicherndsten sind die Momente, in welchen sich einst Wildfremde und über die Monate zu Freunden gewordene Menschen zu mir setzen und mir aus Ihrem Leben erzählen. Da entdecke ich staunend, dass mein jamaicanischer Freund mit ghanesischen Wurzeln eigentlich auch ein begnadeter Künstler und Reggae-Musiker ist, tausche vergnügt mit meiner Arbeitskollegin und Freundin aus Trinidad Rezepte und vieles mehr oder höre unfreiwillig Unterhaltungen mit, die angenehmen in Zimmerlautstärke von Angesicht zu Angesicht, diejenigen, von denen man wünscht, sie möchten nicht allzu lange dauern, lauthals übers Handy geschrien. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu beobachten, sich kopfschüttelnd all die Zeitgenossen anzuschauen, welche glauben, ein Anrecht auf ein ganzes Viererabteil für sich zu haben und dementsprechend all ihr Gepäck samt Jacke, Halstuch, Gipfeli mit Kaffee etc. möglichst weit gestreut auslegen. Welch ein Vergnügen, sie spätestens in Sursee händeringend mit rotem Kopf wirr alles wieder einzusammeln, weil sich der Zug unerbittlich bis zum letzten Platz füllt und sie auch mit geschlossensten Augen nicht ignorieren können, dass sie ungerechtfertigt Sitzplätze belegen, auf welche Mitreisenden mitunter lautstark ihr Anrecht erheben...

Mein ganzer Arbeitsweg macht mir ja immer wieder deutlich, dass ich zu den Privilegierten in unserem Land gehöre, welche trotz Überschreiten des wirtschaftlich erwünschen Zielalters eine bezahlte Beschäftigung haben dürfen. 

So gesehen, ist mein Arbeitsweg Gold wert, bringt er mich doch einerseits täglich mit interessanten Menschen zusammen und erlaubt mir andererseits, in den vielen Stunden des Unterwegs-Seins zu träumen. Ganz klar wird da das eine oder andere Mal auch visualisiert, was ich noch so alles erleben, arbeiten, säen und ernten möchte. Und da die Kraft der Gedanken eine der stärksten ist, ist es wohl absehbar, dass sich auch mein Arbeitsweg irgendwann wieder so wandeln wird, dass ich bei Tageslicht starten und bei Tageslicht heimkehren kann. Darauf freue ich mich - bis dahin geniesse ich meine tägliche Bahnreise ausgiebig.

Öii Chrüterhäx.